Der alte Mann

Eine Weihnachtsgeschichte, die (möglicherweise) ganz genau so passiert ist

Von Anna Trenkwald


Die Geschichte, die ich euch heute erzählen möchte, ist wahr. Sie mag zwar wie ein Märchen klingen, ist aber wirklich so passiert…

Eines Tages im Dezember – es war kurz vor Heiligabend – fuhr mein Vater zum Einkaufen in die Stadt. Nachdem er alle Besorgungen erledigt hatte, beschloss er noch einen Spaziergang über die Felder zu machen. Es war neblig und man konnte kaum einen Meter weit sehen.
Plötzlich tauchte eine Gestalt aus dem Nebel auf, ein kleiner alter Mann. Mein Vater war sehr überrascht, als der Fremde ohne zu zögern anfing, ihn in ein Gespräch zu verwickeln.
So unterhielten sich die beiden eine Weile und auf einmal fragte der Alte: „Du brauchst doch bestimmt noch einen Christbaum, Großer?“
„Nein“, sagte mein Vater, denn er wollte dem unbekannten Mann keine Umstände bereiten.
Doch der fragte beharrlich weiter, bis mein Vater schließlich zugab: „Na gut, brauchen würd’ ich schon noch einen, aber…“
Der Alte unterbrach ihn. „In Ordnung, dann kommst du jetzt mit!“, sagte er so, dass mein Vater gar nicht widersprechen konnte.
Langsam wurde es ihm unheimlich. Was war, wenn der Mann etwas Böses im Schilde führte, ihn womöglich ausrauben wollte oder …? Doch plötzlich schoss ihm ein ganz anderer Gedanke durch den Kopf: Es könnte doch sein, dass der sonderbare alte Mann ein Engel ist!
Zögernd folgte mein Vater dem Alten, der nun auf sein Auto zusteuerte. Der fremde Mann setzte sich wie selbstverständlich auf den Beifahrersitz und mein Vater stieg auf der Fahrerseite ein.
Kaum hatten beide die Türen geschlossen, sagte der geheimnisvolle Beifahrer: „Ich habe gestern ein paar Bäume in meinem Wald gefällt. Fahr’ einfach immer geradeaus über die Wiesen!“ Dabei deutete er mit der Hand in eine Richtung, in der der Nebel noch dichter war als überall anders.
Mein Vater zögerte noch einen Moment, dann startete er den Motor. Ganz geheuer war ihm die Sache immer noch nicht, zumal weit und breit kein Wald zu sehen war. Mit jedem Meter, den sie fuhren, wurde der Weg schwieriger und unübersichtlicher. Vor einem steilen Abhang hielt mein Vater fragend an, doch der Alte sagte nur: „Weiterfahren!“ Und so fuhr mein Vater weiter.
„Wie soll ich diesen Berg jemals wieder hinaufkommen?“, dachte er sich noch, da rief sein Beifahrer auf einmal: „Stop!“
Mein Vater blieb abrupt stehen. Er sah nun auch den Wald – und einen Haufen Tannen, der direkt vor ihnen am Boden lag. Der kleine Mann stieg aus, ging zielstrebig auf den Haufen zu und reichte ihm den prächtigsten und vollsten der Bäume. Zu zweit luden sie ihn in den Kofferraum und fuhren schweigend wieder zurück.
Dass er den steilen Berg ohne Probleme bewältigte, wunderte meinen Vater auf einmal überhaupt nicht mehr. Bei Engeln war schließlich alles möglich.
Am Ziel angekommen stieg der „Weihnachtsengel“ ohne ein weiteres Wort aus und mein Vater bedankte sich herzlich. Doch da war der Alte auch schon verschwunden – so schnell, wie er gekommen war.

Zu Hause erzählte mein Vater uns von seinem Erlebnis. Und obwohl wir es erst nicht glauben konnten: So kamen wir in diesem Jahr zu unserem Weihnachtsbaum.



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